Montag, 29. Mai 2023

29. Mai 1453: Die Eroberung der Stadt Konstantinopel durch die Osmanen

Am 29. Mai 1453 wurde die byzantinische Hauptstadt Konstantinopel nach einer 53-tägigen Belagerung, die am 6. April 1453 begonnen hatte, von dem osmanischen Truppen erobert.  

Das angreifende osmanische Heer, das den Verteidigern Konstantinopels zahlenmäßig deutlich überlegen war, wurde von Sultan Mehmed II. befehligt, während die Mauern der Stadt von Kaiser Konstantin XI. von Palaiologos und dem Genuesen Giovanni Giustiniani Longo verteidigt wurden.

Kurz nach Mitternacht am Dienstag, dem 29. Mai 1453, begann der Angriff der Osmanen. Die christlichen Truppen von Mehmed II.  griffen zuerst an, gefolgt von den schlecht ausgebildeten und ausgerüsteten Azaps-Truppen sowie den anatolisch-turkmenischen Beylik-Truppen, die sich auf einen Abschnitt der beschädigten Blachernae-Mauern im Nordwesten der Stadt konzentrierten.

Dieser Teil der Mauern war bereits im 11. Jahrhundert erbaut worden und war wesentlich schwächer. Den turkmenischen Söldnern gelang es, diesen Mauerabschnitt zu durchbrechen und in die Stadt einzudringen, doch wurden sie von den Verteidigern ebenso schnell zurückgedrängt.

Schließlich griff die letzte Welle, bestehend aus den Eliteeinheiten des Sultans, den Janitaschen die Stadtmauern an. Der Genuese Giovanni Giustiniani, der die Verteidiger an Land anführte, wurde bei dem Angriff schwer verwundet. Seine Evakuierung von den Wällen löste eine Panik in den Reihen der Verteidiger aus.

Während sich die genuesischen Truppen von Giustiniani zum Hafen zurückzogen, hielten Kaiser Konstantin XI. und seine Männer, die nun auf sich allein gestellt waren, weiterhin ihre Stellungen gegen die Janitscharen.

Konstantins Männer konnten allerdings nicht verhindern, dass die Osmanen letztendlich in die Stadt eindrangen, und die Verteidiger an mehreren Stellen der Stadtmauer überwältigt wurden.

Als die türkischen Fahnen über der Kerkoporta, einem kleinen, offen gelassenen Tor, wehten, brach Panik aus und die Verteidigung brach zusammen, so dass die Janitscharen-Truppen, angeführt von Ulubatlı Hasan, vordingen konnten.

Es heißt, dass Kaiser Konstantin XI., der seine purpurnen kaiserlichen Insignien ablegte, den letzten Angriff gegen die anrückenden Osmanen anführte und in der anschließenden Schlacht auf der Straße zusammen mit seinen Soldaten ums Leben kam.

Die Katalanen, die ihre Stellungen auf denen ihnen vom Kaiser zugewiesenen Teilen der Mauer nach wie vor hielten, fielen als eine der letzten Verteidiger der Stadt. 

Der Venezianer Nicolò Barbaro beobachtete,

dass das Blut in der Stadt floss, "wie Regenwasser in den Gossen nach einem plötzlichen Sturm" und dass die Leichen von Türken und Christen im Meer schwammen "wie Melonen in einem Kanal".

Die Verluste der Osmanen sind nicht bekannt, doch die meisten Historiker gehen davon aus, dass diese  aufgrund mehrerer erfolgloser Angriffe während der Belagerung und des letzten Angriffs sehr hoch waren.

Der Sultan Mehmed II. gewährte seinen Soldaten drei Tage, um die Stadt zu plündern, wie er es ihnen versprochen hatte.

Am dritten Tag der Eroberung ordnete Mehmed II. an, alle Plünderungen einzustellen, und verkündete, dass alle Christen, die der Gefangennahme entgangen waren oder ein Lösegeld erhalten hatten, ohne weitere Belästigung in ihre Häuser zurückkehren konnten, obwohl viele keine Häuser hatten, in die sie hätten zurückkehren können.

Der byzantinische Historiker George Sphrantzes, ein Augenzeuge des Falls von Konstantinopel, beschrieb das Vorgehen des Sultans:

„Am dritten Tag nach dem Fall unserer Stadt feierte der Sultan seinen Sieg mit einem großen, freudigen Triumph. Er erließ eine Proklamation: Die Bürger jeden Alters, denen es gelungen war, der Entdeckung zu entgehen, sollten ihre Verstecke in der Stadt verlassen und ins Freie kommen, da sie frei bleiben und keine Fragen gestellt werden sollten.

Außerdem verkündete er die Rückgabe von Häusern und Eigentum an diejenigen, die unsere Stadt vor der Belagerung verlassen hatten. Wenn sie nach Hause zurückkehrten, würden sie ihrem Rang und ihrer Religion entsprechend behandelt werden, als hätte sich nichts geändert.“

Der byzantinische Historiker Kritobulos von Imbros (Michael Kritobulos), der unter osmanischer Herrschaft für einige Zeit Gouverneur der gleichnamigen Ägäis-Insel Imbros war und 1467 ein bedeutendes Geschichtswerk über die 17 ersten Regierungsjahre von Mehmed II. verfasste, berichtet über die Einnahme Konstantinopels:

„Danach zog der Sultan in die Polis ein und betrachtete eingehend ihre Größe und Lage, ihre Pracht und Herrlichkeit, die große Zahl, Größe und Schönheit ihrer Kirchen und öffentlichen Gebäude, ihre Einzel- und Gemeinschaftshäuser, die luxuriöse Anlage der Häuser der Vornehmen, außerdem die Lage des Hafens und der Werften und dass die Stadt in jeder Hinsicht mit allem Nötigen ausgestattet und von der Natur begünstigt war, kurz ihre gesamte Einrichtung und Schmuck.

Er sah aber auch die große Zahl der Umgekommenen, die Verlassenheit der Häuser, und die völlige Zerstörung und Vernichtung der Stadt. Und jäh überkam ihn Mitleid und nicht geringe Reue wegen ihrer Zerstörung und Plünderung, und er vergoss Tränen, seufzte laut und schmerzlich und rief: ‚Welch eine Stadt haben wir der Plünderung und Verwüstung ausgeliefert!‘ So schmerzte es ihn in der Seele.“

Nach der Eroberung der Stadt wurde die Hagia Sophia, die Kirche der Heiligen Weisheit,  in eine Moschee umgewandelt. Zudem machte Sultan Mehmed II. Konstantinopel zur neuen osmanischen Hauptstadt, die damit Adrianopel ablöste.

Die Eroberung von Konstantinopel und der Untergang des Byzantinischen Reiches waren ein Wendepunkt im Spätmittelalter und markierten das tatsächliche Ende des oströmischen Reiches, eines Staates, der fast 1000 Jahre existiert hatte. Viele moderne Historiker betrachten den Fall Konstantinopels als das Ende des Mittelalters.

Die Eroberung der Stadt stellte zudem auch einen Wendepunkt in der Militärgeschichte dar. Denn seit der Antike waren Städte und Burgen auf Wälle und Mauern angewiesen, um Angreifer abzuwehren.

Die Mauern von Konstantinopel, insbesondere die Theodosianische Mauer, gehörte zu den fortschrittlichsten Verteidigungssystemen der damaligen Welt. 800 Jahre lang hatte sie die Stadt Konstantinopel vor feindlichen Angriffen geschützt.

Diese Befestigungen wurden jedoch durch den Einsatz von Schießpulver, insbesondere durch Kanonen und Bombarden, überwunden, was einen Wandel im Belagerungskrieg einläutete.

Die  Osmanen gaben 5.000 Schüsse aus ihren Kanonen ab und verbrauchten dabei 55.000 Pfund Schießpulver, um Lücken in die Mauern der Stadt Konstantinopel für die osmanische Truppen zu schaffen.

© by Ingo Löchel

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Arsakes I. – Der Gründer des Partherreiches

Arsakes I.   war der erste König der Parther und der Namensgeber der Arsakiden-Dynastie von Parthien. Um das Jahr 250 v. Chr. erobert...