Dienstag, 20. Februar 2024

Römische Geschichte - Buch 15 - Teil 1

Römische Geschichte von Ammianus Marcellinus

Buch 15 (A.D. 454)

I. Der Tod des Caesar Gallus wird dem Kaiser mitgeteilt

1.  Nachdem wir die Wahrheit nach bestem Wissen und Gewissen erforscht haben, haben wir bisher alle Vorgänge, die wir entweder aufgrund unseres Alters miterleben durften oder die wir durch sorgfältige Befragung der Beteiligten in Erfahrung bringen konnten, in der Reihenfolge wiedergegeben, in der sie sich zugetragen haben.

Die übrigen Tatsachen, die wir in den folgenden Büchern darlegen werden, werden wir, soweit es unser Talent erlaubt, mit der größten Genauigkeit erklären, ohne diejenigen zu fürchten, die geneigt sein könnten, unser Werk als zu lang zu beanstanden; denn Kürze ist nur dann zu loben, wenn sie zwar unangemessene Verzögerungen beendet, aber nichts unterdrückt, was gut beglaubigt ist.

2.   Kaum hatte Gallus in Noricum sein Leben ausgehaucht, als Apodemius, der, solange er lebte, ein feuriger Anstifter von Unruhen gewesen war, seine Schuhe aufhob und wegtrug, indem er mit häufigen Pferdestaffeln so schnell reiste, dass er sogar einige von ihnen durch übermäßige Geschwindigkeit tötete, und so die erste Nachricht von dem, was geschehen war, nach Mailand brachte. Und als er in den Palast eindrang, warf er die Schuhe vor die Füße des Constantius, als ob er die Beute eines erschlagenen Perserkönigs bringen würde.

Und als diese plötzliche Nachricht eintraf, dass eine so unerwartete und schwierige Angelegenheit mit aller Leichtigkeit und ganz nach dem Wunsch des Kaisers ausgeführt worden war, priesen die wichtigsten Höflinge nach ihrer Gewohnheit und unter Aufbietung ihres ganzen Eifers auf dem Weg der Schmeichelei die Tugend und das Glück des Kaisers in den Himmel, auf dessen Wink hin, als wären sie nur gewöhnliche Soldaten gewesen, zwei Fürsten, nämlich Veteranio und Gallus, auf diese Weise ihrer Macht beraubt worden waren.

3.   Und Constantius, der sich über den köstlichen Geschmack dieser Bewunderung freute und dachte, dass er selbst in Zukunft von allen gewöhnlichen Unannehmlichkeiten der Sterblichkeit befreit sein würde, begann nun so offensichtlich vom Pfad der Gerechtigkeit abzuweichen, dass er sogar zuweilen Anspruch auf Unsterblichkeit erhob; und sich in Briefen, die er mit eigener Hand schrieb, als Herr der ganzen Welt bezeichnete, was, wenn andere es gesagt hätten, jeden hätte empören müssen, der sich mit angemessenem Fleiß bemühte, sein Leben und seine Gewohnheiten nach dem Vorbild der konstitutionellen Fürsten zu gestalten, die ihm vorausgegangen waren, wie er es zu tun vorgab.

4.   Denn selbst wenn er die von Demokrit erdachten Unendlichkeiten der Welten in seiner Gewalt gehabt hätte, wie es Alexander der Große unter der Anregung des Anaxarchos tat, so hätte er doch entweder durch Lesen oder durch Anhören anderer Reden bedenken können, dass (wie die Mathematiker einhellig meinen) der Umfang der ganzen Erde, so unermesslich er uns auch erscheinen mag, im Vergleich zur Größe des Universums doch nicht größer als eine Stecknadelspitze ist.

© by Ingo Löchel

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