Dienstag, 28. Mai 2024

Römische Geschichte - Buch 16 - Teil 1

Römische Geschichte von Ammianus Marcellinus

Buch 16

I. Eine Lobrede auf Julianus den Cäsar (Das Jahr 356)

1. Während die Kette des Schicksals diese Ereignisse in der römischen Welt herbeiführte, wurde Julianus, der sich in Wien aufhielt, vom Kaiser, der damals sein achtes Konsulat innehatte, als Teilhaber an dieser Würde aufgenommen.

Und unter dem Antrieb seiner eigenen angeborenen Energie träumte er von nichts anderem als von Schlachten und dem Abschlachten der Barbaren. 

Er bereitete sich unverzüglich darauf vor, die Provinz wiederherzustellen und die Bruchstücke, die von ihr abgetrennt worden waren, wieder zu vereinen, wenn ihm nur das Glück hold sein sollte. 

2. Und weil die großen Leistungen, die Julianus durch seine Tapferkeit und sein Glück in Gallien vollbrachte, viele der galantesten Heldentaten der Alten übertreffen, will ich sie der Reihe nach erzählen, wie sie sich ereigneten, wobei ich alle Mittel meiner Talente, so bescheiden sie auch sein mögen, in der Hoffnung einsetze, dass sie für die Erzählung ausreichen mögen.

3. Aber das, was ich zu erzählen habe, wird, obwohl es nicht mit raffinierten Unwahrheiten geschmückt ist, sondern einfach eine schlichte Darstellung der Tatsachen ist, die durch offensichtliche Beweise gestützt wird, die ganze Wirkung einer studierten Lobrede haben.

4. Denn es scheint, dass ein Prinzip eines mehr als gewöhnlich tugendhaften Lebens diesen jungen Prinzen von seiner Wiege an bis zu seinem letzten Atemzug leitete.

Er nahm in jeder wünschenswerten Eigenschaft rasch zu und wurde bald sowohl im In- als auch im Ausland so auffällig, dass er in Bezug auf seine Klugheit als ein zweiter Titus angesehen wurde; in seinen ruhmreichen Kriegstaten wurde er Trajanus gleichgestellt.

In der Barmherzigkeit war er das Vorbild des Antoninus; und im Streben und in der Entdeckung wahrer und vollkommener Weisheit ähnelte er Marcus Aurelius, nach dessen Vorbild er all seine Handlungen und seinen Charakter gestaltete.

5. Und da, wie uns Cicero lehrt, die Erhabenheit großer Tugenden uns erfreut wie die hoher Bäume, während uns die Wurzeln und Stämme nicht gleichermaßen interessieren, so wurden auch die ersten Anfänge seiner bewundernswerten Veranlagung durch viele Umstände verborgen gehalten, die eine Wolke über sie warfen; obwohl sie in der Tat vielen seiner wunderbarsten Taten des späteren Lebens vorzuziehen sind, da er, der in seiner frühen Jugend wie Erectheus in der der Minerva geweihten Zurückgezogenheit erzogen worden war, dennoch, als er aus den ruhigen Schatten der Akademie (und nicht aus irgendeinem militärischen Zelt) in die Mühen des Krieges hineingezogen wurde, Germanien unterwarf, die Gegenden des gefrorenen Rheins beruhigte, die barbarischen Könige mit nichts als Blutvergießen und Gemetzel überwand und sie zur Unterwerfung zwang.

© by Ingo Löchel

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