Montag, 18. März 2024

Römische Geschichte - Buch 15 - Teil 4

Römische Geschichte von Ammianus Marcellinus

Buch 15

IV. Der Einfall der Sarazenen und die Sitten dieses Volkes

1.  Zu dieser Zeit zogen auch die Sarazenen, ein Volk, das man weder zu Freunden noch zu Feinden haben sollte, durch das Land und plünderten, wenn sie etwas fanden, es in einem Augenblick wie räuberische Falken, die, wenn sie von oben eine Beute erblicken, sie mit einem schnellen Sturzflug erbeuten, oder, wenn sie bei ihrem Versuch scheitern, nicht lange verweilen.

2.    Und obwohl ich mich erinnere, bei der Schilderung des Werdegangs des Prinzen Markus und ein- oder zweimal danach über die Sitten dieses Volkes gesprochen zu haben, will ich doch jetzt kurz einige weitere Einzelheiten über sie aufzählen.

3.    Bei diesen Stämmen, die ursprünglich von den Katarakten des Nils und den Grenzen der Blemmyae abstammen, sind alle Männer Krieger gleichen Ranges; sie sind halbnackt, bis zur Taille in bunte Mäntel gekleidet und überrennen mit Hilfe von schnellen und tatkräftigen Pferden und flinken Kamelen verschiedene Länder, sowohl in Friedens- als auch in Kriegszeiten.

Kein Mitglied ihrer Stämme nimmt jemals einen Pflug in die Hand oder kultiviert einen Baum oder sucht Nahrung durch die Bearbeitung des Landes; sondern sie wandern ständig über verschiedene und ausgedehnte Bezirke, haben keine Heimat, keinen festen Wohnsitz oder Gesetze; sie können auch nicht lange in ein und demselben Klima bleiben, kein Bezirk oder Land gefällt ihnen auf Dauer.

4.   Ihr Leben ist ein ständiges Umherziehen; ihre Frauen werden auf besondere Abmachung für eine bestimmte Zeit angeheuert; und damit das Geschäft den Anschein einer Ehe erweckt, bietet die vorgesehene Frau unter dem Namen einer Mitgift ihrem Mann einen Speer und ein Zelt an, mit dem Recht, ihn nach einem bestimmten Tag zu verlassen, wenn sie sich dazu entschließen sollte. Und es ist unvorstellbar, mit welchem Eifer sich die Menschen beiderlei Geschlechts den ehelichen Vergnügungen hingeben.

5.  Solange sie aber leben, wandern sie in so ausgedehnten und fortwährenden Wanderungen umher, dass die Frau an einem Ort heiratet, an einem anderen ihre Kinder zur Welt bringt und sie in der Ferne von beiden Orten aufzieht, ohne dass ihr jemals Gelegenheit gegeben wird, in Ruhe zu bleiben.

6.  Sie leben alle von Wildbret und ernähren sich außerdem von einem großen Überfluss an Milch und vielen Kräutern sowie von allen Vögeln, die sie fangen können. Und wir haben sehr viele von ihnen gesehen, die weder Getreide noch Wein zu essen wissen.

7.  So viel zu diesem höchst boshaften Volk. Kehren wir nun zu dem Thema zurück, das wir uns ursprünglich selbst vorgeschlagen hatten.

© by Ingo Löchel

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